Einhard,
der Biograph Karls des Großen, der am 14. März 840
in Seligenstadt gestorben ist und 794
aus der Fuldaer Klosterschule an den Hof des Herrschers kam, verheiratet,
aber Stifter mehrerer Klöster, schildert die Wildheit der Lahnlandschaft so
deutlich, wie es nur die persönliche, rückblickend schaudernde Kenntnisnahme
vermag. Wirklich deuten noch heute enge Flußdurchbrüche mit steilen Felswänden
und relativ dichten Waldungen voller schroffer Züge eine Lahnlandschaft an, die
in frühen Jahrhunderten mit einer urtümlichen Natur als abweisend empfunden
worden sein muß. Am Rhein wird der Wechsel von Weingärten und ertragreichen
Feldern zu Einhards Zeit schon als lieblich und fruchtbar im Vergleich dazu
angesehen worden sein. Besonders Partien etwa zwischen Balduinstein und Nassau
sind beispielhaft für eine Landschaft voller Härte, die dennoch nicht
abweisend genug war, um hier kleinere und größere Territorien entstehen zu
lassen, von denen aus nicht direkt Weltgeschichte gemacht worden ist,
gelegentlich sogar kaum Reichsgeschichte, in denen es dennoch bewegt genug
zuging, weil sie Objekte beweglicher Zeitgeschichte waren.
Gerauft, verschuldet, geheiratet
Hier
haben sich die Grafen von Nassau verschiedener Familienzweige, die Landgrafen
von Hessen-Kassel, die Erzbischof-Kurfürsten von Trier, die Grafen von Wied
(Runkel),
von Westerburg, die Münzenberger, von Katzenellenbogen, von Leiningen und weiß
Gott noch welche kleinen Dynastien um Burgen, Straßen, Dörfer, Centen,
Kirchspiele, Ämter, Zölle gerauft, verschuldet, Erbinnen geheiratet.
Ein spätes Beispiel für (jedoch nur kurzlebige) Territorienbildung gibt das kleine Holzappel mit nicht viel über tausend Einwohnern (stolz genannt „Ort in der Nassauischen Schweiz“), einst als erster Hauptort der Esterau. Wie so viele kleine Gebiete erlebte es viele Herrschaftswechsel. Nassau-Hadamar hatte die Esterau 1631 zur Gänze an sich gebracht, verkaufte dann aber diese Herrschaft mit der Vogtei Isselbach und Eppenrod 1643 an den Feldmarschall Peter Melander, der vermutlich sanften Druck ausgeübt haben wird, weil er ein Territorium brauchte, um daran die ersehnte Erhebung in den Reichsgrafenstand knüpfen zu können.
Melander, der Holzappel hieß
Der
Feldmarschall hatte schlicht Peter Holzappel geheißen, aber ein Onkel, der in
den Niederlanden zu Ansehen und Vermögen gekommen war und den späteren
Marschall Peter mit dessen Bruder dorthin holte und studieren ließ, hatte
seinen Namen in den klangvolleren Melander präzisiert und der Neffe machte es
ihm nach. Er war Protestant und Peter Melander auch und durchaus nicht dem
Buchstaben nach. Aber Dienste nahm er, wo er Aufstiegschancen sah, in Holland,
Venedig, Basel, Hessen-Kassel und dabei kletterte er die Rangstufen hoch und
raubte ein Vermögen zusammen, das für das 17. Jahrhundert riesig war. Sobald
er die kleine Grafschaft bar bezahlt hatte, bot er dem Kaiser, der ja katholisch
war, unbefangen seine Dienste an, wo man schon lange einen Nachfolger für den
Trunkenbold Geiles gesucht hatte, und bekam im Zuge des Geschäfts blitzschnell
die Belehnung als Reichsgraf, was für den Landreiterjungen aus Niederhadamar
eine ganz schöne Karriere war, worauf sein Hauptort den abgelegten Namen
Holzappel verliehen bekam. Dabei blieb es, obschon Reichsgraf Peter schon 1648
seine Laufbahn beendete, weil ihn kurz vor Kriegsschluß zwei Musketenkugeln
trafen, was er einige Jahrzehnte lang zu vermeiden gewußt hatte. Seine Erben
kauften noch die Herrschaft Schaumburg in der Nachbarschaft hinzu, die Holzappel
1688 sogar die Stadtrechte
verschafften, wovon es umständehalber kaum Gebrauch machte. Man sagt ihm, der
nun in der kleinen Kirche ruht, gerne nach, er habe nicht etwa als Opportunist
gehandelt, sondern erkannt, daß aus dem Religionskrieg von 1618 an im Laufe der
Jahrzehnte ein politischer geworden sei, so daß man bei einem Seitenwechsel
patriotisch, nicht gegen das Gewissen handeln konnte. Mag sein. Aber unser
Melander hat dadurch jedenfalls kein Verlustgeschäft betrieben. Es lag in der
Zeit und die Glücksritter des Jahrhunderts sehnten sich nach Beute, Familie,
Besitz und einem guten Ende der Abenteuer. Peter hatte keinen Sohn und mit
seiner wohl recht vornehmen Frau konnte er es selbst in den Pausen, die ihm das
Kriegsleben ließ, nicht so ganz recht. So setzte er seinen Bruder zum Erben
ein, wollte, daß die einzige Tochter nur ein Pflichtteil erbte, die Gattin aber
nichts, wegen „ihrer immerwährenden Widersetzlichkeit gegen Uns und ihrer bösen
Haushaltung halber“.
Schaumburg
und die reiche Erbin
Aber
die Dame blieb widersätzlich, focht das Testament an, bekam recht, kaufte Burg
und Herrschaft Schaumburg dazu und machte die Tochter zu einer reichen Erbin, um
die sich die jungen Fürsten rissen. So ist das Bauernblut Peter Holzappel in
die europäischen Fürstenfamilien gekommen. Über einen Fürsten von
Nassau-Dillenburg und das Fürstenhaus Anhalt-Bernburg zu den späteren Großherzögen
von Oldenburg und heute den Fürsten von Waldeck. Wer weiß, was bei einem Sohn
und einem längeren Leben des Feldmarschalls noch alles aus den Holzappeln
geworden wäre.
Bis
zur Schaumburg, ganz nahe bei Schloß Oranienstein und der Ruine Balduinstein,
ist es nicht weit. Hier sind die Wege von Gebiet zu Gebiet auch geschichtlich
immer kurz. 1194 sind Isenburger Besitzer, Leininger, Diezer, 1279 Westerburger,
eine Raufboldfamilie, die immer mit dem Schwert rasch zur Hand war und hinterher
auf einen Berg von Schulden sah. Schließlich also kaufte die Witwe Holzappel
das Burgschloß hoch über der Lahn, dann besaßen es die Dillenburger
Nachfahren bis 1707, die Anhalt-Bernburg-Schaumburger bis 1812 und dann sogar über
einen späteren Ur- und Ururenkel des Feldmarschalls Peter ein Zweig des Hauses
Habsburg-Lothringen bis 1867.
Erzherzog
Stephan, letzter Palatin — sozusagen Vizekönig — Ungarns, war ein sehr
liberaler Mann und das nach Ansicht des kaiserlichen Hofes zu wenig und
verbrecherisch, wenn es um einen Aufstand ging, wie ihn die Ungarn machten. So
wurde er zur Strafe verbannt, Junggeselle übrigens, und erinnerte sich, daß
ihm da irgendwo im Norden eine Burg oder ein Schloß gehörte. So reiste er hin,
baute es um und schuf damit ein Ausflugsziel, natürlich auch ein begehrtes
Objekt. Er hatte nämlich einen Oldenburger zum Erben eingesetzt, während ein
Waldecker die besseren genealogischen Erbrechte zu haben glaubte. So
prozessierte man bis zum Reichsgericht und 1887 bekam der Waldecker Schloß und
Herrschaft zugesprochen, der Oldenburger den „Inhalt“, eine Bibliothek mit
24 000 Bänden, eine großartige Mineraliensammlung und kostbare Möbel.
Der Baumeister und die Bibliotheksbücher
Der
Erzherzog hat die Schlossanlage neu- und umgebaut, so wie sie sich heute
darbietet, in neugotischem Geschmack durch den nassauischen Baumeister Georg
Christian Karl Boos ( (1806 — 1883 ) von 1850 — 1855 nach der in England
aufgekommenen Mode und man weiß auch, daß er sich ein dreibändiges englisches
Architekturwerk von 1823 am 25.
April in der Wiebadener Bibliothek entlieh — und trotz vielem Drängen
erst nach fünf Jahren zurückgab —und nach diesem Buch sein Werk nachempfand.
Aber es ist romantisch und erfreut in Stil und Lage seine vielen Besucher.
An
einer Lahnschleife, an die Flanken der steilen Höhen auf knapp halbem Hang
geschmiegt, blickt man auf Balduinstein, einst eine kurtrierische Burg mit der
der kämpferische länderraffende Erzbischof Baldewin (Balduin, 1307 bis 1354)
die Herren von Wetserburg als Besitzer der Schaumburg kontrollierte, nicht ohne
sie zu zwingen, ihm dafür auch noch den Bauplatz herzugeben. Baldewins
„Balduinstein“ verlor im Laufe der Jahrhunderte seine Bedeutung aber Zeuge
der spannungsgeladenen Zeiten im Lahngebiet ist noch immer die Ruine.
Wieder
nur wenige Kilometer entfernt über einem kleinen Lahndorf ragt die Ruine
Laurenburg, die Keimzelle des Hauses Nassau, von dem aus sie den Sprung nach
Nassau unternahm. Hier spricht man von einem edelfreien Geschlecht, dessen
erster bekannter Sproß ein Drutwin (940 bis 954 )‘ Herr von Lipporn,
gewesen sein soll und das urkundlich in einer Laacher Urkunde 1093 bezeugt ist.
Sie besaßen die Esterau, treten in das Licht des sicheren Aktennachweises 1117
als Grafen von Laurenburg und siedelten bald nach Nassau über, 1643 wird die
Laurenburg schon als verfallen bezeichnet, als sie Peter Mellander kaufte, von
dem schon erzählt wurde. Seine späteren Erben, die Fürsten von Anhalt —
Bernburg — Schaumburg, haben sich am Fuße der Ruine im ausgehenden 18.
Jahrhundert ein Schlößchen als Sommersitz gebaut
Die
Grafen von Nassau haben sich durch Erbschaft bei der Teilung des ursprünglichen
uralten Lahngaues, der einmal bis zur Burg Gleiberg bei Gießen reichte, an der
mittleren Lahn festgesetzt. Die Reste ihrer Burg liegen dem Städtchen Nassau
gegenüber in mäßiger Höhe über dem Flusstal auf einem steilen
Felsvorsprung, wo wir heute noch ihre Reste erkennen können. Uns ist nur
bekannt, daß sie den Grafen von Nassau im 12. und 13. Jahrhundert zum
Aufenthalt diente, über die Baugeschichte ist nur wenig bekannt. Auch über
ihre Herkunft ist wenig bekannt, wir wissen jedoch, daß die Nassauer Grafen zunächst
unter dem Namen ihre Stammburg auf der Laurenburg genommen hatten. Zwei
Laurenburger Grafen, Ruprecht und Arnold, kann man als die nachweisbaren Stammväter
des Hauses Nassau ausmachen. Sicher ist auf jeden Fall, daß ihre Mutter aus dem
Hause der Grafen von Arnstein stammte, und eine Vaterschwester des letzten
Arnsteiners Ludwig LII. gewesen ist. Daraus erkennen wir, daß die Nassauer
Grafen zu den angesehensten Adelsgeschlechtern der damaligen Zeit gezählt
werden müssen. Das Geschlecht der Nassauer spaltete sich in mehrer Linien, die
auf mehreren Burgen und Schlössern ihren Wohnsitz aufschlugen. So finden wir
eine Linie auch bald in den Niederlanden und dieser Zweig erbte 1530 das Fürstentum
Orange (Oranien ) an der Rhone, sie gewannen europäische Bedeutung und der
letzte eigentliche Oranier wurde sogar als Wilhelm III., König von England.
„Wilhelmus von Nassaven“ aus Dillenburg wurde der niederländische Volksheld
und schließlich stellte das Geschlecht seit 1814 nach langer Zeit als
Erbstatthalter die Könige der Niederlande. Eine stattliche Kette von Erfolgen,
Niederlagen, Aussterben ‚ Eifersüchteleien.
Seit
dem 18. Jahrhundert begann die Burg zu verfallen, neben dem fast rechteckigen
Hauptturm sind dennoch stattliche Mauerreste erhalten. Und der Blick geht weiter
über Fluß und Landschaft.
In
gebührendem Abstand, tiefer gelegen, erinnern andere Burgreste an die
Reichsfreiherren vom und zum Stein, die als adelige Mannen der Nassauer Grafen
hier ihren Stammsitz hatten und deren letzter männlicher Sproß der Preußische
Minister und Reformer war, der 1831 starb und auch am Reichskammergericht in
Wetzlar sich in kameralischen Rechtsdingen geschult hatte. Die Burg, als
nassauisches Lehen wohl im 12. Jahrhundert erbaut ( das Uradelsgeschlecht ist ab
1158 urkundlich bezeugt), verfiel erst im 17. Jahrhundert, als wahrscheinlich
die Leute der Umgebung die unbewachte Ruine als Steinbruch benutzten. Trotzdem
heben sich einige Befestigungsanlagen, und Rudimente des Palas und ein
quadratischer Torturm erhalten.
Das Schloß der Steins
Die
Freiherren vom Stein besaßen mit mehreren Linien auch in der Stadt Nassau Höfe;
das Haus der jüngeren Linie, ein Fachwerkbau von 1607, kam später an die
Adelsheim und diente dann als Rathaus. Im Hof der älteren Linie entstand 1821
das heutige Schloß, um des letzten Stein und meiner Rolle in der napoleonischen
Zeit willen, in der er zeitweilig Motor des Widerstandes gegen Napoleon und für
kurze Zeit so etwas wie der heimliche deutsche Kaiser für staatsbürgerliche
Erneuerungen gab, die noch heute fast
sprichwörtlich genannt werden. Reichsfreiherr Heinrich Friedrich Karl vom und
zum Stein wurde hier 1767 geboren und ließ zur Erinnerung an die Kämpfe gegen
Napoleon einen achteckigen Turm bauen, der übrigens die letzten Jahre seines
Lebens gerne auf seinem westfalischen Besitz gelebt und sich am Rande seines
landschaftsnahen Dorfes Frucht eine Grabkapelle errichten ließ. Erben sind
seine töchterlichen Nachfahren geworden, die heute noch das Schloß besitzen.
Kirchliche Kampftruppe
Eine Wanderung oder Fahrt entlang
diesem Lahnabschnitt muß unfehlbar auf die ähnlich wie der Limburger Dom
restaurierte Klosterkirche von Arnstein stoßen. Ein eindrucksvolles Bild,
dessen baukünstlerischer Rang längst anerkannt ist, obschon es bei seiner
Entstehung so nicht gemeint war. Arnstein liegt etwas erhöht auf einem Hügel,
der dem Dörsbach des engen und gewundenen „Jammertales“ den Zulauf zur Lahn
verwehren macht,, zu wollen scheint. Es war ein Prämonstrateserkloster, gehörte
also einem Orden, der im Gegensatz zu den kulturfreundlichen, ruhigen, vornehmen
Benediktinern Kind der um die Zeit der Kreuzzüge und des einsetzenden Ringens
zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt aufkommenden Reformbewegungen war und
sich wie auch die Zistersenser rücksichtslos und schroff als Kampftruppe der
Kirche empfand.
Es
ging gegen eine Welt, die sich aus den Fesseln kirchlicher Gewalt loslösen
wollte, dagegen wollte man angehen, gegen das Weltliche auch innerhalb der
Kirche. Ihnen galt die Beherrschung der Gewissen mehr als Erziehung des Volkes
zu weltlichem Fortschritt in Landwirtschaft, Gewerbe oder Kultur. Aber trotz
ihrer aus religiösen Gründen kunstfeindlichen Haltung, die ihren Niederschlag
in der Ablehnung jeden Schmucks durch Plastik oder Malerei fand, zunächst auch
ohne Türme und Portale oder gar Rosetten in der Stirnfront, zeigt sich in ihrem
großzügig-herben Baustil und mönchischer Askese ein großer Reiz.
Wandlungen
Der
Orden und das Kloster haben sich freilich gewandelt und die großartige
Klosterkirche ragt heute türmereich über den Bergsattel, frühgotisch zwei
Turmpaare, die ganz Anlage wirkt machtvoll und ist ebenso würdevoll wie in
einem charaktervollen Mali in Beziehung zu der Fluß- und Waldlandschaft gesetzt.
Das Kloster hat dann die wechselvollen Schicksale der Lahnlandschaft mitmachen müssen
und doch hat der Abt Wilhelm von Staffel mit seinem Umbau von 1359 ein Bild
schaffen können, das sich seitdem charakteristisch erhalten hat. 1803 wurde das
Kloster aufgehoben und kam als Domäne in die Hände Nassau-Wellburgs. Vieles
wurde abgerissen, aber. 1919 zogen zur Betreuung wieder Mönche ein, Väter vom
Heiligen Herzen Jesu und Maria, die man wohl auch Picpusianer genannt hat, weil
sie ihr erstes Haus in der Pariser Straße der Beutelstecher besessen haben
sollen.
Das
Kloster verdankt seine Lage, die Mönche von sich aus wohl nie gesucht hätten,
einem Grafen Ludwig — eine
Namensauslegung der Entstehung verweist auf einen Burgbauerahnen Arnold
(zusammengezogen Arnstein, Arnolds „Stein“)- der 1139 als Letzter seines
Geschlechts, kinderlos verheiratet und erst 30 Jahre alt, in seiner Burg ein
Kloster gründete, das er Prämonstratensern aus (gottesgnaden bei Calbe der
Saale übergab und in das er als Laienbruder eintrat, damit später einmal gründlich
für sein Seelenheil gebetet werden konnte. Er musste such nicht Tag und Nacht im
demütigen Gebetverharren, sondern wurde von seinem Orden viel weggesandt um für
ihn zu verhandeln und neue Klostergründungen vorzubereiten. Ob er sich das
ausbedungen hat oder man diplomatische Talente oder Beziehungen nutzen wollte,
wir wissen es nicht, wir ahnen nur wie wichtig jenen Jahrhunderten religiöse
Dinge und das Seelenheil erschienen sein müssen. Heute wieder strömen Gläubigenzüge
herbei, an manchen Sonntagen bis zu zwanzig mit manchmal vielen hundert
Teilnehmern
Die Laurenburger werden Nassauer
Sehr
irdisch und weltlich ging es dafür wenige Kilometer weiter in Nassau zu, heute
dank Eingemeindungen und zahlreicher Gastarbeiter auf stolze 12 000 Einwohner
gebracht. In fränkischer Zeit soll an dieser Stelle schon eine Straßensicherung
angelegt worden sein und König Konrad 1. schenkte die Örtlichkeit 914 dem
Walpurgisstift zu Weilburg. Die Grafen von Laurenburg bauten hier ihre neue
Burg, was viel Ärger gab angesichts ungeklärter Herrschaftsverhältnisse,
besonders als das Erzstift Trier Herrschaftsansprüche erhob. Da der Klügere
nachgibt, nahmen die Laurenburger 1159 Nassau vom Erzbischof als Lehen und
nannten sich seitdem Grafen von Nassau. Es sind ansehnliche Reste dieser Burg
übrig geblieben. Freilich hat der Bombenkrieg des zweiten Weltkrieges nicht nur
die Stadt, sondern auch die Burg noch einmal arg mitgenommen. Immerhin hätte Königin
Juliane bei ihrem Staatsbesuch vielleicht auch hier einen Blick hinaufwerfen können,
denn von hier aus hat das bedeutendste Herrschergeschlecht beiderseits der Lahn
schließlich seinen Ausgang genommen und ihr einen meterlangen Stammbaum
geschenkt, der weit vor den Diezer und Dillenburger Ahnenkreis führt. Freilich
haben Erbtellun2en verhindert., daß wirkliche Macbtzentren entstanden sind.
1101 soll die Burg erbaut worden sein, die das Neunburgengeschlecht, wie man es
später nannte, über Jahrhunderte hindurch als Gemeinschaftsbesitz behandelten,
als sich 1255 die Brüder Walrani und Otto zu einer ersten Teilung entschlossen.
Die walramische Linie verwurzelte sich besonders im Taunus, die ottomsche (später
oramsche) im Westerwald. Schnell gab es die verschiedensten Linien, immerhin
gewannen die Ottonen unter Johann 1. von Dillenburg so viel Macht, daß sie
Hessen-Kasselsche Machtgelüste Im Taunus blockieren konnten. Die walramische
Linie residierte in Idstein, Usingen, Weilburg- Saarbrücken (sie haben das
Saargebiet vor der Französisierung bewahrt) und Wiesbaden, wurden 1806 bis 1866
Herzöge von Nassau und kamen schließlich Ende des vorigen Jahrhunderts noch
als Großherzöge auf den luxemburgischen Thron. Die nassau-ottonische Linie saß
in vielen Zweigen in Siegen, Dillenburg, Beilstein, Hadamar und Diez, gewann
seit dem 15. Jahrhundert Besitz und Einfluß in den Niederlanden und dieser
Zweig erbte 1530 das Fürstentum Orange (Oranien) an der Rhone, sie gewannen
europäische Bedeutung und der letzte eigentliche Oranier wurde sogar als
Wilhelm III., König von England. „Wilhelmus von Nassowien“ aus Diillenburg
wurde der niederländische Volksbeld und schließlich stallte das Geschlecht
seit 1814 nach langer Zeit als Erbstatthalter die Könige der Niederlande. Eine
stattliche Kette von Erfolgen, Niederlagen, Aussterben, Eifersüchteleien.